Ökumenischer Kirchentag in Wesel

Sehens-werte Orte in Wesel | Station 3

Zitadelle Wesel, Haupttor

An der Zitadelle, 46483 Wesel

Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude der Zitadelle ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist die 1728 fertig gestellte Festung ein sichtbares Zeugnis für die Vergangenheit Wesels als Garnisonsstadt. Zum anderen befindet sich in ihr das Schillmuseum, das an die Hinrichtung der Schill´schen Offiziere erinnert, die lange Zeit als tragische patriotische Helden galten.

Wir möchten Sie an diesem Ort auf die Gedenktafel für die Genter Seminaristen aufmerksam machen, die 1966 im Haupttor der Zitadelle angebracht wurde. Sie erinnert an insgesamt 148 Studenten aus den belgischen Städten Gent und Brügge. Die jungen Männer waren auf dem Weg zum Priestertum, als der französische Kaiser Napoleon Bonaparte ihren Bischof 1811 absetzte und 1813 einen neuen, ihm genehmen Bischof einsetzte. Die Seminaristen verweigerten diesem Nachfolger demonstrativ den Gehorsam. Daraufhin schloss der neue Bischof das Seminar. Napoleon ordnete an, die Männer zum Militär einzuziehen und nach Wesel zu transportieren, das seit 1805 durch französische Truppen besetzt war.

Es ist nicht mehr sicher zu ermitteln, in welchen Räumen der Zitadelle die Seminaristen untergebracht waren. Zweifellos waren die hygienischen Zustände und die Ernährung desolat. Etliche der Männer steckten sich deshalb mit der Ruhr, einer Darmerkrankung, an, die zu dieser Zeit in Wesel viele Todesopfer forderte. Bis zum Mai 1814 starben 29 Seminaristen.

Die jungen Priesterkandidaten beeindruckten die Weseler Bevölkerung durch einen starken, religiös geprägten Zusammenhalt und durch ihre gegenseitige Fürsorge. Doch zeigten im Gegenzug auch die Weseler Einwohner, zu welcher Solidarität sie fähig sind. Teilweise nahmen sie die kranken Belgier in Pflege und besuchten in großer Zahl die Beerdigungen der Toten.

Nach der Niederlage der Franzosen und der Kapitulation der Festung Wesel im Mai 1814 kehrten insgesamt 86 Seminaristen wieder in ihre Heimatstädte zurück, die sich bis heute voller Respekt an sie erinnern.

Quelle: https://www.wesel.de/kultur-freizeit/stadtarchiv/stichtag/stichtag-30-august-1813-die-ersten-genter-seminaristen-kommen

Schaut hin

Mich beeindruckt, mit welcher Konsequenz die Genter Seminaristen für ihre Überzeugung eintraten. Sie waren bereit, dafür erhebliche Nachteile in Kauf zu nehmen bis hin zum Tod. Ich fühlte mich an die Demokratiebewegungen in Belarus, Myanmar oder Hongkong (und an vielen anderen Orten) erinnert. Unter hohem persönlichen Einsatz setzen sich dort junge und alte Menschen für ihre politischen und menschlichen Rechte ein. Sie stehen eine Zeitlang im Mittelpunkt des Interesses der Weltöffentlichkeit, dann besteht die Gefahr, dass wir sie vergessen. Ich frage mich: Nutzt unser Land, nutzt die Europäische Union ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss, um wirkliche Solidarität mit den Freiheitsbewegungen zu zeigen?

Vor allem aber schaue ich auf mich selbst: Wie viel Mut habe ich, zu meinen persönlichen Überzeugungen zu stehen – als Freund, als Arbeitskollege, als Bürger, als Christ? Wie schnell knicke ich ein, wenn ich Gegenwind erlebe oder gar Nachteile in Kauf nehmen muss? Die Genter Seminaristen lehren mich, dass eine klare Haltung überzeugt. Und dass uns der aufrechte Gang leichter fällt, wenn wir uns gegenseitig dabei unterstützen.

Raphael Günther

oekt.kirche-wesel.de

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